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  • Es lohnt sich wirklich, den Artikel zu lesen. Ich erinnere mich an die Berichterstattung rund um den Fall, ich konnte die vergleichsweise milden Urteile auch nicht nachvollziehen und hatte eine starke emotionale Reaktion.

    Meier-Göring: Zunächst einmal: Das Verfahren war nicht öffentlich, und auch die Urteilsbegründung richtete sich in erster Linie an die Verfahrensbeteiligten, die Angeklagten, Verteidiger, Nebenklage und Staatsanwaltschaft. Daher kennen auch nur die Verfahrensbeteiligten die ganze Wahrheit. Das ist auch gut so, denn das schützt vor allem die Nebenklägerin, die sich an fast nichts mehr aus der Tatnacht erinnert. Sie soll besonders nicht durch neue Informationen, die an die Öffentlichkeit gelangen, retraumatisiert werden. In der kurzen öffentlichen Urteilsverkündung habe ich daher – wie auch in diesem Interview – viele Details, die auch das Verhalten der Nebenklägerin betrafen und die sehr entscheidend für die Rechtsfolge waren, weggelassen. Trotzdem: Ein Urteil ergeht ja »Im Namen des Volkes«. Ich habe mich deswegen natürlich auch persönlich immer wieder gefragt, was ich besser hätte kommunizieren können.

    […]

    SPIEGEL: Was kann man besser machen, damit durch unverstandene Urteile nicht so viel Hass verbreitet wird?

    Meier-Göring: Wir müssen uns gegen das Gift und die Fake News aus der rechten Ecke lauter zur Wehr setzen. Aber wir müssen auch zeigen, dass wir zuhören und selbstkritisch sind und die Urteile der Justiz den Menschen noch besser erklären. Ich wünsche mir eine Art Bürgerdialog für die Justiz, um die Menschen da draußen besser zu erreichen. Wir wollen doch alle dazu beitragen, dass es weniger Straftaten und weniger Gewalt gibt. Dass die Gesellschaft besser wird.

    Dass das Verfahren zum Schutz der Beteiligten nicht öffentlich war, ist verständlich. Die sehr knappe öffentliche Urteilsverkündung hätte aber eben auch deutlich besser begründet und eingeordnet werden können, um die Fantasie und das Verständnis des Volkes und der Presse nicht unnötig frei laufen zu lassen.

    Sie wünscht sich eine Art Bürgerdialog, der hat stattgefunden. Populistische Publikationen, entrüstete Bürger, widerwärtige Drohungen. Aufgrund fehlender bzw. fehlerhafter Kommunikation.

    Vielleicht lernen die beteiligten Organe ja etwas aus dem Fall.




  • Dann kommt ja oftmals diese Argumentation, nämlich dass der Konflikt ja schon so lange gehe und dass man da ja jetzt einfach nur ein Lösung finden müsse. Als wäre dieser Status Quo, nämlich Kolonialmacht und Kolonialisierte quasi gottgegeben. Ist er nämlich nicht.

    Und in dem Sinne ist auch die Palästinensische Zivilbevölkerung doch nicht vergleichbar mit der Russischen sondern mit der Ukrainischen.

    Den Vergleich von Palästina mit der Ukraine und dadurch Israel mit Russland sehe ich nicht. Der große Unterschied ist für mich, dass Israel keine gierige Erweiterung eines Nachbarlandes darstellt, welche seit < 10 Jahren besteht. Die wurden da vor 2-3 Generationen durch internationale Beschlüsse, die alles andere als toll waren, hingesetzt. Kein einziger heutiger Bürger von Israel kann was dafür, dass die dort ihre Heimat haben.

    Sollte die Besetzung der Krim beispielsweise in 75 Jahren noch bestehen, wäre das nochmal bristanter als die israelische Situation, da es nur einen Teil eines riesigen Landes darstellt, welches direkt angrenzt. Die dort lebenden Bürger wären nicht isoliert. Ein heutiger Israeli hat nur dieses Land als Heimat. Und diese wird verteidigt. Ich habe kein Verständnis für die stetige Erweiterung der Landesgrenzen, aber Israel in der heutigen Form hat eine klare Daseinsberechtigung, nicht weniger als jeder andere Staat auch.

    Und das widerspricht direkt den Grundsatz von Palästina. Ich sehe auch ehrlich gesagt keine friedliche Koexistenz mehr, dafür ist zu viel passiert. Friedliche Stimmen auf beiden Seiten werden meiner Meinung nach keine Mehrheit mehr finden, der Konflikt, so beschissen er auch sein mag, wird dadurch wohl ewig weitergeführt oder bis eine Seite die andere vernichtet.


  • aber dieser Konflikt ist viel mehr schwarz und weiß als es die deutschen Medien aussehen lassen.

    Ist er das? Für mich aktuell eben nicht. Ich stimme dir in fast allem zu, die Geschichte von Israel ist schwierig. Genau wie die Geschichte von Polen, den USA, der Mongolei, Deutschland, Portugal, Italien, England, usw.

    Unrecht und Leid haben bei der Formung von quasi jeder aktuell bestehenden Nation eine Rolle gespielt. Aber das Aufwiegen von vergangenen Untaten, teilweise durch vergangene Generationen, gegen aktuelle Geschehnisse erscheint mir sehr selektiv und willkürlich zu erfolgen.

    Dein Beispiel der amerikanischen Ureinwohner ist schon richtig. Aber wenn die heutigen Ureinwohner anfangen würden, die Eroberer in Form von unbeteiligten Bürgern der USA zu vergewaltigen und massakrieren, würde ich z.B. jetzt nicht denken, dass das ja gerechtfertigt ist, weil die Nation, der die Bürger angehören, der Gruppe der Angreifer mal Unrecht getan hat.

    Mir ist bewusst, dass Israel im Gegensatz zu vielen anderen Nationen auch aktuell, gerade eben auch vor dem 7. Oktober, Palästina unterdrückt hat. Und hier kommt der emotionale Aspekt, den ich angesprochen habe, für mich zum Tragen: Es wurden friedliche Festivalbesucher und Anwohner niedergeschossen, verschleppt, vergewaltigt, angezündet, gefoltert. Die Taten wurden gefilmt und von weiten Teilen der palästinänsischen Bevölkerung bejubelt. Diese Taten haben meiner Auffassung nach die Reaktionen der israelischen Streitkäfte geprägt: Ihr behandelt unsere Bürger wie unmenschliche Stücke Fleisch? Dann behandeln wir euch auch so. Auge um Auge. Ist das richtig? Auf keinen Fall. Ist das verständlich? Leider ja.

    Natürlich empfinde ich Mitleid mit dem unfassbaren Leid, welches die unbeteiligte palästinensische Zivilbevölkerung ohne Schuld befallen hat. Genau wie ich Mitleid für die unbeteiligte russische Zivilbevölkerung ohne Schuld empfinde. Aber es fällt mir in Anbetracht dieser mindestens subjektiv gesehen abscheulichen Taten und der breiten Unterstützung selbiger schwer, Mitleid mit Palästina als ganzes zu haben.


  • Ist ein verzwicktes Thema, welches aufgrund der Natur des Konfliktes und der Taten auch sehr polarisiert und in meiner aktuellen Wahrnehmung auch deutlich emotionaler anstatt logisch geprägt ist als der Ukrainekonflikt, bei dem ähnliche Handlungen stattfinden.

    Hamas hat bekanntlich unbeteiligte Männer, Frauen und Kinder vergewaltigt, gefoltert, vorgeführt, getötet. Personen, welche sich sogar für sie eingesetzt haben. Abscheuliche Taten, die mMn zurecht eine starke Antwort seitens Israel provoziert haben. Palästina unterstützt nach wie vor zu großen Teilen die Hamas, ob nun freiwillig oder aus Zwang kann ich nicht objektiv beurteilen.

    Israel zerbombt ganze Landstriche, tötet in ihrer Anstrengung, Hamas und deren Unterstützer zu vernichten, tausende Menschen, auch unbeteiligte. Dabei wird leider durch die schiere Masse der Vorfälle ersichtlich, dass im Krieg abscheuliche Taten nicht nur von einer Seite systematisch eingesetzt werden, um den Feind als Vieh anstatt einem ebenbürtigen Menschen zu sehen.

    Es ist einfach, sich als unbeteiligte Person auf eine Seite zu schlagen, die widerwärtigen Verbrechen der anderen anzuprangern und die eigenen zu leugnen. Wäre ich Israeli, hätte ich vielleicht sogar eine oder mehrere Personen in meiner sozialen Sphäre an die Hamas verloren: Ich würde vermutlich auch die Vernichtung des Gazastreifens bejubeln. Wäre ich Palästiner, seit Generationen unterdrückt, ohne Perspektive und nun auch in der realen Gefahr, meine Heimat zu verlieren, während mich kein Land aufnehmen will und meine eigene Regierung mich als Fleischschild nutzt: Wie könnte ich nicht Israel und seine Partner hassen?

    Beim Ukrainekrieg kann man, zumindest in meiner Wahrnehmung, deutlich objektiver mit anderen Leuten reden. Es ist fast allen bewusst, dass Russland im Unrecht ist und die Ukraine im Recht. Prorussische Meinungen werden, mMn völlig zurecht, als Trolle/rechte Trottel abgetan.

    Beim Palästinakonflikt? Die Leute reden nicht darüber. Man hat gefühlt die Wahl, sich durch eine Positionierung auf die Seite von Faschisten, die Genozid betreiben, zu schlagen oder einer Terrornation, dessen Wertevorstellungen die Kotze in mir aufsteigen lassen. Das sieht man nicht nur im Alltag, auch z.B. hier auf Lemmy werden Posts zu diesem Konflikt in “neutralen” Communities wenig bis gar nicht kommentiert. Vermutlich eben, weil beide Seiten es nicht wirklich verdienen, sich für sie einzusetzen.





  • Bitterfeld. Anfang März wurde laut Polizei in einer S-Bahn zwischen Bitterfeld und Muldenstein (Sachsen-Anhalt) ein 18-Jähriger ausgeraubt. Nach LVZ-Informationen handelt es sich bei dem Opfer um Niclas M., der unter dem Namen „Anzeigenhauptmeister“ bundesweit Verstöße gegen die Parkordnung im Straßenverkehr zur Anzeige bringt.

    Die Tat soll sich am Samstag (2. März) gegen 18.20 Uhr ereignet haben. Nach einem Fußballspiel der SG Dynamo Dresden beim Halleschen FC seien etwa 20 Heimfans in der S-Bahn auf der Rückreise gewesen. Ein bisher unbekannter Täter habe dort einem 18-Jährigen unter Gewaltanwendung sein Handy entrissen, heißt es im Bericht der zuständigen Bundespolizei. Daraufhin stoppte die S-Bahn am Haltepunkt Muldenstein, wo Beamte den Zug betraten.

    Der Geschädigte sei aufgrund von Verletzungen mit einem Rettungswagen in ein nahgelegenes Krankenhaus gebracht worden. Sein Handy wurde später auf dem Bahnsteig gefunden. Die Ermittlungen in dem Fall dauern an.

    TV-Beitrag macht 18-jährigen „Anzeigenhauptmeister“ bundesweit bekannt

    Der selbsternannte „Anzeigenhauptmeister“ erlangte durch einen Bericht des Magazins „Spiegel-TV“ bundesweit Bekanntheit und sieht sich seither verstärkt Anfeindungen ausgesetzt. In dem Beitrag ist M. dabei zu sehen, wie er seinem außergewöhnlichen Hobby nachgeht: Ohne polizeiliche Ausbildung fährt er demnach durch Deutschland, um Falschparker anzuzeigen.

    Der Bürgermeister seiner Heimatstadt Gräfenhainichen (Sachsen-Anhalt) wirft ihm vor, die Arbeit der Behörden durch hunderte Anzeigen zu behindern. Die ungebetene Unterstützung für Polizei und Ordnungsamt stößt auch im Internet auf viel Kritik.

    Tiktok-Video über Angriff enthält falsche Informationen

    Der Angriff auf M. wird in einem Tiktok-Video im Netz thematisiert, das seit Sonntagnachmittag mehr als 2 Millionen Nutzer erreicht hat. Darin wird fälschlicherweise behauptet, „Leipziger Ultras“ hätten den „Anzeigenhauptmeister“ bei Merseburg angegriffen.

    Niclas M. selbst äußert sich zum Angriff am 2. März bisher nicht öffentlich. Auf seiner Facebook-Seite dementierte der junge Mann aber Behauptungen, er sei am vergangenen Wochenende erneut attackiert worden.




  • Hat einige Parallelen.

    Ich schätze mal, der junge Mann verschwindet (hoffentlich) bald nach seinen 15 Minuten Fame aus dem Bewusstsein der Gesellschaft, zieht die richtigen Konsequenzen aus so viel negativer Publizität und geht seinem Hobby wenn dann etwas anonymer nach.

    Vermutlich geht das ganze aber eben einen ähnlichen Weg wie beim Drachenlord. Auch überwiegend negative Aufmerksamkeit ist Aufmerksamkeit und er scheint auch eine ähnliche Einstellung dem gegenüber zu haben:

    Auf die Frage, ob er tätlich angegriffen wurde, sagt M., es habe „ein paar kleinere Vorfälle“ gegeben. Das störe ihn aber nicht. „Dann rufe ich standardmäßig die Polizei dazu, es gibt eine Anzeige wegen Körperverletzung und ich kassiere ab.“

    Als jemand, der das Game um den Drachenlord für einige Jahre passiv mitverfolgt hat, läuft es mir dabei kalt den Rücken runter. Den Hate für sich nutzen zu wollen ist ein sehr, sehr gefährliches Spiel mit nur augenscheinlicher Kontrolle.

    Ich hoffe, der Dude besinnt sich eines besseren. Ich persönlich feiere zumindest die Anzeigen von Leuten, die Fahrradwege zuparken. Aber durch solche Diskussionen unterstützen wir leider indirekt auch seine potenziell ruinöse Laufbahn.





  • Nope, ich vergleiche nicht - ich gebe nur ein sehr deutlich Beispiel, das Motivation und Ziel einer Handlung bei ihrer moralischen Bewertung wichtig sind.

    Jo, das habe ich auch nie bestritten und bin fest davon überzeugt. Was moralisch als richtig oder falsch angesehen wird, hängt aber eben unter anderem von der konkreten Tat, der Gesellschaft, in der sie verübt wurde, und dem Ziel ab.

    Nee, können wir nicht - gewalttätiger Wiederstand kann absolut berechtigt sein. Sorry aber bin kein Pazifist und finde Pazifismus naiv.

    Gewalttätiger Widerstand kann absolut berechtigt sein, aber eben nicht grundsätzlich.

    Achso - wenn du denkst das ich das konkrette Attentat auf springer bei dem Unbeteiligte zu Schaden gekommen sind gut finde, dann hast du mich missversttanden.

    Danke für die Klarstellung, das finde ich sehr gut. Wir haben offensichtlich teilweise verschiedene Ideale und Vorstellungen, wie man seine Ziele erreichen sollte. Das tolle an unserer freien Gesellschaft ist, dass verschiedene Meinungen akzeptiert und offen ausgetauscht werden können, solange man keine von der Gesellschaft definierten Grenzen überschritten werden. Ich bedanke mich für die Diskussion!